Das Deutsche Reich
Ereignisse 1928–1930

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Deutsches Reich

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1928
06.01.Gründungsaufruf des Bundes zur Erneuerung des Reiches (Vorsitzender Hans Luther – »Lutherbund«) durch Vertreter der bürgerlichen Parteien, aus Wissenschaft und Industrie. Im August schlägt der Bund die Umwandlung eines um die norddeutschen Klein- und Mittelstaaten erweiterten Preußen in ein Reichsland bei Stärkung der provinziellen Selbstverwaltung sowie Fortbestehen der Länder Bayern, Sachsen, Württemberg (mit Hohenzollern) und Baden vor.
14.01.Reichswehrminister Otto Geßler (o.P.) erklärt aufgrund der »Phoebus-Affäre« seinen Rücktritt. Die in Konkurs gegangene »Phoebus«-Filmgesellschaft hatte von der Reichsregierung Darlehen und Bürgschaften in Höhe von fast 9 Mio. RM erhalten. Von diesem Geld wurden geheime Aufrüstungsaktivitäten der Marine finanziert.
16.–
18.01.
In Berlin findet die Erste Reichskonferenz der Länderregierungen über Fragen der Reichs- und Verwaltungsreform statt. Obwohl ein grundsätzlicher Reformbedarf allseits anerkannt wird, verlaufen die Beratungen ergebnislos, da der Dissens zwischen Unitaristen (Reichskanzler Marx, Preußens Ministerpräsident Braun, Hamburgs Bürgermeister Petersen) und Föderalisten (Bayerns Ministerpräsidenten Held und Württembergs Ministerpräsident Bazille) nicht zu überbrücken ist.
28.01.In Schleswig-Holstein demonstrieren 140.000 Bauern gegen die Landwirtschaftspolitik der Reichsregierung.
09.02.Der Reichstag verabschiedet ein neues Mieterschutzgesetz, das den Kündigungsschutz einschränkt.
15.02.Die Verhandlungen der Regierungsparteien über ein neues Reichsschulgesetz werden ergebnislos abgebrochen. Die Mitte-Rechts-Koalition aus Zentrum, DVP, DNVP und BVP ist heillos zerstritten.
27.02.Die Reichsregierung beschließt ein Nothilfeprogramm für die deutsche Landwirtschaft in Höhe von 100 Mio. Mark.
01.03.Reichswehrminister Groener setzt sich vor dem Haushaltsausschuss des Reichstags für den Bau des Panzerschiffs A ein. Die erste Rate in Höhe von 9,3 Mio. RM wird am 30.3. mit 200 gegen 170 Stimmen bewilligt. SPD und KPD stimmen dagegen.
10.03.Die amerikanische Regierung gibt das in den USA beschlagnahmte deutsche Vermögen wieder frei. Die Beschlagnahmung war nach Ende des Ersten Weltkriegs erfolgt, um die Begleichung der deutschen Kriegsschulden zu garantieren.
13.03.Der Vorsitzende der Reichstagsfraktion der NSDAP, Wilhelm Frick, erklärt gegenüber dem Reichsinnenministerium, seine Partei strebe die »vollkommene Umwälzung des Staates« auf legalem Wege an.
31.03.Der Reichskanzler gibt die vorzeitige Auflösung des Reichstags bekannt. Mit größeren gesetzgeberischen Arbeiten sei nicht mehr zu rechnen. Die Neuwahlen werden auf den 20.5. festgesetzt.
25.04.Eine Wahlversammlung von Reichsaußenminister Gustav Stresemann (DVP) im Münchner Bürgerbräukeller wird von Nationalsozialisten massiv gestört.
02.05.Das Reichsgericht lehnt den Antrag von Reichsinnenminister Walter von Keudell (DNVP) ab, den kommunistischen Roten Frontkämpferbund zu verbieten.
20.05.Bei den Reichstagswahlen erzielen KPD und vor allem SPD deutliche Gewinne, während die bürgerlichen Parteien – vor allem die DNVP – verlieren, auch an die Interessenparteien (WP, Landvolk u.a.).
12.06.Nach der Wahlniederlage tritt Reichskanzler Wilhelm Marx (Zentrum) mit seiner Regierung zurück. Reichspräsident Hindenburg beauftragt Hermann Müller (SPD) mit der Bildung einer neuen Regierung.
28.06.Reichskanzler Müller stellt sein neues Kabinett mit Ministern aus SPD, DDP, DVP und BVP vor. Stresemann bleibt Reichsaußenminister.
03.07.Der Reichstag billigt die Regierungserklärung von Reichskanzler Müller mit 261 zu 134 Stimmen bei 28 Enthaltungen.
13.07.Der deutsche Reichstag verabschiedet ein Amnestiegesetz für politische Straftaten. Keine Amnestie erhalten Verurteilte, die sich des Landesverrats, des Mordes aus politischen Motiven und des Verrats militärischer Geheimnisse schuldig gemacht haben. Für diesen Personenkreis werden die Strafen herabgesetzt.
06.08.Außenminister Stresemann erleidet einen leichten Schlaganfall.
10.08.Die Reichsregierung beschließt, die Mittel für den Bau des Panzerkreuzers A freizugeben. Auch die SPD-Minister stimmen zu, obwohl die SPD sich im Wahlkampf gegen den Bau ausgesprochen hatte.
18.08.Die Reichstagsfraktion der SPD bedauert die Zustimmung der SPD-Minister zum Bau des Panzerkreuzers A, lehnt jedoch den Austritt der SPD aus der Regierungskoalition ab.
16.09.Am Rande der Völkerbundversammlung in Genf vereinbaren Deutschland, Großbritannien, Frankreich, die USA, Belgien und Japan die Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine vorzeitige Räumung des Rheinlands und die abschließende Regelung der Reparationen.
17.09.Das Reichsinnenministerium genehmigt das von der KPD geforderte Volksbegehren gegen den Bau des Panzerkreuzers A.
23.09.Der Stahlhelm fordert ein Volksbegehren zur Änderung der Verfassung. Die Position des Reichspräsidenten soll gestärkt, die Rechte der Reichstagsabgeordneten sollen eingeschränkt werden.
30.09.Massenkundgebung der NSDAP gegen den Dawes-Plan im Berliner Sportpalast. Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten.
01.10.Beginn eines Streiks der Werftarbeiter. Sie fordern die 48-Stunden-Woche (bisher 52-Stunden-Woche) sowie die Erhöhung der Stundenlöhne um 12 Pfennig.
03.–
16.10.
Das von der KPD initiierte Volksbegehren gegen den Bau des Panzerkreuzers A scheitert, da sich nur rund 1,2 Mio. Stimmberechtigte in die Listen eintrugen. Damit wurden die für einen Volksentscheid erforderlichen 10 % nicht erreicht.
20.10.Der Verleger Alfred Hugenberg wird zum Vorsitzenden der DNVP gewählt. Hugenberg ist scharfer Gegner der parlamentarisch-demokratischen Republik.
16.11.Der Reichstag lehnt einen Antrag der SPD-Fraktion (unterstützt von den SPD-Ministern) ab, den Bau des Panzerkreuzer A zu stoppen.
20.11.Der Reichstag stimmt mit Zweidrittelmehrheit gegen einen Misstrauensantrag der NSDAP gegen Außenminister Stresemann.
09.12.Der Prälat Ludwig Kaas wird mit 184 von 318 (Joseph Joos 92, Adam Stegerwald 42) Stimmen zum Vorsitzenden des Zentrum gewählt. Diese vollzieht damit einen deutlichen Rechtsruck.
22.12.Das Deutsche Reich, Großbritannien, die USA, Frankreich, Italien, Belgien und Japan einigen sich über die Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Neuregelung der Reparationsfrage.
Ende
Dez.
Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (Opposition) [KPD(O)].
1929
03.01.Der sozialdemokratische Reichsarbeitsminister Rudolf Wissell erklärt einen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern abgelehnten Schiedsspruch für verbindlich. Damit wird ein 14wöchiger Streik der Werftarbeiter beendet: Die Wochenarbeitszeit wird von 52 auf 50 Stunden gesenkt. Bei Überschreitung von 48 Arbeitsstunden wird ein Überstundenzuschlag von 25 % gezahlt.
06.01.Der stellvertretende Propagandaleiter der NSDAP, Heinrich Himmler, wird zum Reichsführer der Schutzstaffel (SS) ernannt.
15.01.Die Arbeitslosenzahl in Deutschland übersteigt die Zwei-Millionen-Grenze.
22.01.Das Reichsarbeitsgericht erklärt »Ein-Mann-Schiedssprüche« für unzulässig.
06.02.Mit 288 zu 127 Stimmen ratifiziert der Reichstag den »Briand-Kellogg-Pakt« zur Ächtung von Angriffskriegen.
   Rücktritt von Theodor von Guérard, dem einzigen Zentrumsminister, da die Forderung des Zentrums nach drei Ministerien am Einspruch der DVP gescheitert ist. Die DVP fordert außerdem ihre Beteiligung an der preußischen Regierung, die von SPD, DDP und Zentrum getragen wird.
11.02.–
07.06.
In Paris berät die Sachverständigenkommission unter dem Vorsitz des amerikanischen Wirtschaftsfachmanns Owen D. Young eine Neuregelung der deutschen Reparationszahlungen.
20.02.Der preußische Ministerpräsident Otto Braun (SPD) schlägt dem Vorsitzenden der DVP und Außenminister Gustav Stresemann Verhandlungen über die Aufnahme der DVP in die preußische Regierung vor. Mit diesem Schritt will Braun die Koalitionskrise der Reichsregierung lösen.
26.02.Stresemann und Braun nehmen Verhandlungen über eine Regierungsbeteiligung der DVP in Preußen auf, können sich jedoch nicht über die Anzahl der Ministerämter verständigen.
28.02.Die Zahl der in Deutschland registrierten Arbeitslosen ist auf 3,2 Mio. gestiegen.
01.03.Generalmajor Kurt von Schleicher wird Chef des neu gegründeten »Ministeramts« im Reichswehrministerium. Mit dieser Erweiterung seiner Vollmachten wird General Schleicher engster Mitarbeiter von Reichswehrminister Wilhelm Groener (o.P.).
05.03.Alfred Hugenberg, Vorsitzender der DNVP, bietet in einem Schreiben an 3.000 amerikanische Politiker und Unternehmer seine Zusammenarbeit gegen die weltweite Bedrohung des Bolschewismus an.
06.03.Außenminister Stresemann hält vor dem Völkerbundrat eine vielbeachtete Rede zum Schutz von nationalen Minderheiten.
15.03.Adolf Hitler ruft zur Unterwanderung der Reichswehr auf.
05.04.Der Reichstag ratifiziert das Genfer Protokoll von 1925, mit dem der Einsatz von Giftgasen und bakteriologischen Kampfmitteln geächtet wird.
13.04.Nach einer Kabinettsumbildung verfügt das Zentrum über die drei eingeforderten Reichsministerien.
17.04.Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht fordert auf der Sachverständigenkonferenz in Paris eine Revision der deutsch-polnischen Grenze sowie die Rückgabe der Kolonien. Die Entente-Staaten lehnen ab.
28.04.Anlässlich des bevorstehenden 1. Mai weist der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Karl Friedrich Zörgiebel auf das am 21.3. erlassene Demonstrationsverbot in Preußen hin. Er befürchtet Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der NSDAP und der KPD.
30.04.Trotz des Demonstrationsverbots ruft das KPD-Organ Die Rote Fahne zur Teilnahme an der Maidemonstration in Berlin auf.
01.05.Während der Maikundgebungen kommt es in vielen Städten zu Unruhen. In Berlin gehen 13.000 Polizisten gewaltsam gegen Demonstranten vor. Neun Menschen sterben, 63 werden schwer verletzt (»Blutmai«).
03.05.Nach neuen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei verhängt der Berliner Polizeipräsident ein »Verkehr- und Lichtverbot« über die Berliner Bezirke Wedding und Neukölln. Es wurden insgesamt 33 Demonstranten getötet, weitere 198 Demonstranten sowie 47 Polizisten wurden verletzt. Verbot des kommunistischen Roten Frontkämpferbunds in Preußen.
04.05.Die deutsche Delegation auf der Pariser Sachverständigenkonferenz stimmt den Vorschlägen des Vorsitzenden Young zu, der Reparationszahlungen in Höhe von 112 Mrd. Goldmark für die Dauer von 58 Jahren vorschlägt.
06.05.Das über Teile Berlins verhängte »Verkehr- und Lichtverbot« wird aufgehoben.
10.05.Die Konferenz der Innenminister befasst sich mit den Vorfällen am 1.5. in Berlin. Auf Vorschlag des preußischen Innenministers Carl Severing (SPD) wird das Verbot des Roten Frontkämpferbunds auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt.
16.05.Mit großer Mehrheit nimmt der Reichstag ein Gesetz zur finanziellen Unterstützung der ostpreußischen Landwirte an.
25.–
31.05.
Auf dem SPD-Parteitag in Magdeburg fordert der linke Flügel die Reichstagsfraktion sowie die SPD-Minister und den Reichskanzler Hermann Müller (SPD) auf, gegen die Bewilligung der zweiten Rate für den Bau des Panzerkreuzer A zu stimmen.
07.06.In Paris wird der »Young-Plan« unterzeichnet. Er sieht für den Zeitraum von 58 Jahren jährliche Zahlungen in Höhe von rund 2 Mrd. Goldmark vor. Zugleich verzichten die Gläubigerstaaten auf wirtschaftliche Kontrollmöglichkeiten, die ihnen der Dawes-Plan von 1924 noch zugestand. Die Alliierten verpflichten sich außerdem, bis zum 1.7.30 alle Besatzungstruppen abzuziehen.
18.06.Der Antrag der KPD auf Streichung der zweiten Rate für den Bau des Panzerkreuzers A wird im Reichstag abgelehnt. Für den KPD-Antrag stimmt die gesamte Fraktion der SPD, während der Reichskanzler und die drei SPD-Minister dagegen stimmen.
23.06.Bei der Stadtratswahl in Coburg erhält die NSDAP durch eine Listenverbindung mit den bürgerlichen Parteien die absolute Mehrheit.
27.06.Der Reichstag billigt den Wehretat. Da sie den Fortbestand der »Großen Koalition« nicht gefährden wollen, stimmen der Reichskanzler und die SPD-Minister gegen ihre Fraktion für die Bewilligung des Rüstungshaushalts.
06.07.Der Reichsausschuss der Landwirte lehnt den Young-Plan ab. Die Zahlungsverpflichtungen würden die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft übersteigen.
09.07.Der DNVP-Vorsitzende Hugenberg bildet gemeinsam mit Theodor Duesterberg, Franz Seldte (beide Stahlhelm), Heinrich Claß (Alldeutscher Verband) und Hitler (NSDAP) den Reichsausschuss für das deutsche Volksbegehren gegen den Young-Plan. Sie fordern ein »Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes« mit Zuchthausstrafen für Unterzeichner des Young-Plans.
23.07.Das nach der Ermordung von Walther Rathenau 1922 erlassene »Gesetz zum Schutz der Republik« tritt außer Kraft.
04.08.Auf dem 4. Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg führt ein Aufmarsch der SA zu schweren Straßenschlachten mit der Polizei. Mehrere Geschäfte von Juden werden zerstört.
06.–
31.08.
Auf der ersten Konferenz in Den Haag verhandeln Großbritannien, Frankreich, das Deutsche Reich, Belgien, Italien und Japan über die Räumung des Rheinlands und die Verteilung der deutschen Reparationszahlungen unter den alliierten Staaten.
30.08.Am Ende der ersten Konferenz in Den Haag wird dem Deutschen Reich die Räumung des gesamten Rheinlands bis zum 30.6.30 zugesichert. Damit werden die Gebiete fünf Jahre früher als im Versailler Vertrag vereinbart geräumt.
01.09.Mitglieder der Landvolkbewegung verüben im Reichstagsgebäude einen Bombenanschlag. Hintergrund sind wirtschaftliche Existenzängste.
05.–
09.09.
Auf der Völkerbundversammlung in Genf schlagen Briand und Stresemann die Schaffung eines vereinigten und föderativen Europas aus wirtschaftlichen Gründen vor.
26.09.Im bisher größten Bankenzusammenschluss fusionieren die Deutsche Bank und die Disconto-Gesellschaft. Man erhofft sich Rationalisierungseffekte.
27.09.Der Gauleiter der NSDAP für Berlin-Brandenburg, Joseph Goebbels, bezeichnet das Volksbegehren gegen den Young-Plan als Anfang einer »Volksrevolution«.
28.09.Der Reichsausschuss für das deutsche Volksbegehren reicht ein Volksbegehren gegen den Young-Plan und die »Kriegsschuldlüge« ein (»Freiheitsgesetz«).
30.09.Die DVP lehnt das Volksbegehren gegen den Young-Plan ab, da Großbritannien und Frankreich ohne den Young-Plan der vorzeitigen Räumung des Rheinlands nicht zugestimmt hätten.
03.10.Außenminister Gustav Stresemann stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls.
   Der Reichstag beschließt das »Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung« mit 237 (SPD, DDP, BVP, Zentrum) zu 155 Stimmen bei 40 Enthaltungen (DVP).
08.10.Das preußische Innenministerium verbietet den rechtsgerichteten Wehrverband Stahlhelm im Rheinland und in Westfalen, weil dort die militärische Ausbildung dieser Verbände erfolge. Die Ehrenmitgliedschaft des Reichspräsidenten im Stahlhelm erschwert ein reichsweites Vorgehen.
16.–
29.10.
Einschreibungsfrist für das Volksbegehren gegen den Young-Plan, das von der Reichsausschuß für das deutsche Volksbegehren (DNVP, Stahlhelm, NSDAP u.a.) beantragt wurde. Das erforderliche Zehntel aller Eintragungsberechtigten wird mit 10,02 % knapp erreicht. Bevor per Volksentscheid über die Einführung des »Gesetzes gegen die Versklavung des deutschen Volkes (Freiheitsgesetz)« abgestimmt werden kann, muss der Reichstag über die Einführung des Gesetzes entscheiden.
25.10.Der »Schwarze Freitag« an der New-Yorker Börse leitet die Weltwirtschaftskrise ein. Der Crash an der Wallstreet hat vor allem für die deutsche Wirtschaft gravierende Folgen. Die kurzfristigen Auslandskredite werden aus Deutschland zurückgezogen. Die Konkurse häufen sich, Arbeitslosenzahl und die Kurzarbeit steigen sprunghaft an.
01.11.Das Deutsche Reich und Polen beschließen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
13.11.Gemäß dem Young-Plan wird die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gegründet.
27.–
30.11.
Reichstagsdebatte über das »Freiheitsgesetz«. Der Reichstag lehnt mit großer Mehrheit den Entwurf des »Gesetzes gegen die Versklavung des deutschen Volkes« ab. U.a. stimmen aber 53 von 72 DNVP-Abgeordneten für den »Zuchthausparagraphen«, der denjenigen Strafe androht, die den Young-Plan unterschreiben.
30.11.Die Besatzungstruppen sind aus der seit 1920 besetzten Koblenzer Rheinlandzone abgezogen.
03.12.Abspaltung von der DNVP-Fraktion im Reichstag: Aus Protest gegen Hugenbergs Kurs auf eine rechtspopulistische Front treten 12 Abgeordnete aus der Partei aus und bilden die Deutschnationale Arbeitsgemeinschaft.
14.12.Der Reichstag billigt das Kabinettsprogramm zur Konsolidierung von Haushalt und Arbeitslosenversicherung und spricht der Regierung mit 222 (u.a. 24 DVP) zu 156 (u.a. 14 DVP) Stimmen bei 22 (BVP) Enthaltungen das Vertrauen aus. 28 SPD-Abgeordnete sind abwesend.
20.12.Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding (SPD) muss nach vertraulichen Verhandlungen mit einer amerikanischen Bank über einen Überbrückungskredit zurücktreten. Hilferding hätte die Reichsbank über die Verhandlungen informieren müssen.
21.12.Der Reichstag verabschiedet ein Sofortprogramm zur Beilegung der Finanzkrise. Es beinhaltet auch eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und der Tabaksteuer.
22.12.Der Reichstag verabschiedet das Gesetz über den Tilgungsfond für schwebende Schulden des Reiches in Höhe von 450 Mio. RM.
   Der von der nationalistischen Rechten initiierte Volksentscheid über das »Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes« scheitert. Dennoch profitiert insbesondere die NSDAP von dem Propagandafeldzug. Ihre Mitgliederzahl steigt weiter an.
1930
03.–
20.01.
In Den Haag findet die zweite Konferenz über den Young-Plan statt. Die Reparationen werden auf 112 Mrd. RM festgesetzt und sollen in jährlichen Raten bis 1988 gezahlt werden.
06.01.Frankreich stimmt der Auflösung der interalliierten Militärkommission zu.
14.01.In seiner Wohnung in Berlin-Friedrichshain wird der SA-Sturmführer Horst Wessel beim Überfall eines kommunistischen Kommandos niedergeschossen. Die NSDAP stilisiert ihn als Verfasser des »Horst-Wessel-Lieds« (»Die Fahne hoch«) zum Märtyrer.
22.01.Ein Erlass des Reichswehrministeriums verbietet jegliche Sympathiekundgebungen für NSDAP und KPD innerhalb der Reichswehr. KPD und NSDAP würden eine gewaltsame Zerschlagung des Staats und die Diktatur ihrer Partei anstreben.
23.01.In der thüringischen Landesregierung übernimmt Wilhelm Frick (NSDAP) das Ministeramt für Inneres und Volksbildung. Damit stellt die NSDAP erstmals einen Minister.
13.02.Gründung des Reichsverbands der Deutschen Landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen e.V. in Berlin. Der Verband will die notleidende Landwirtschaft unterstützen.
23.02.Horst Wessel stirbt an den Folgen seiner Schussverletzung. Bei seiner Beerdigung kommt es zu Straßenkämpfen zwischen Anhängern von KPD und NSDAP.
05.03.Das Kabinett beschließt Deckungsvorschläge für den Reichshaushalt; u.a. ist eine Erhöhung der Kapitalsteuer sowie der Arbeitslosenversicherung von 3,5 auf 4 % vorgesehen.
07.03.Mit seinem Rücktritt zieht Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht die Konsequenzen aus seinen Meinungsverschiedenheiten mit der Reichsregierung über den Young-Plan, den er für eine zu große Konzession an die Siegermächte hält. Sein Nachfolger wird am 11.3. der ehemalige Reichskanzler und Finanzminister Hans Luther von der DVP.
12.03.Mit 265 (u.a. Mehrheit des Zentrum) zu 192 (u.a. BVP) Stimmen bei 3 Enthaltungen billigt der Reichstag in dritter Lesung den Young-Plan. Ein Misstrauensantrag der KPD gegen die Reichsregierung wird mit 277 zu 169 Stimmen bei 13 Enthaltungen (BVP) abgelehnt.
18.03.Der Reichstag nimmt mit großer Mehrheit ein neues »Gesetz zum Schutz der Republik« an. Es soll ein wirksameres Vorgehen gegen links- und rechtsradikale Kräfte gewährleisten.
25.03.Eine Besprechung der Parteiführer der die Koalition stützenden Fraktionen scheitert an der Frage der Arbeitslosenversicherung.
27.03.Während die DVP auf Leistungsminderung der Arbeitslosenversicherung bestand, beharrte die SPD auf ihrer Forderung nach weiteren Beitragserhöhungen und Solidarzahlungen des Reiches. Rücktritt der Reichsregierung unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD).
29.03.Reichspräsident Hindenburg beauftragt Heinrich Brüning (Zentrum) mit der Kabinettsbildung. Unter Brüning beginnt der Übergang zu den Präsidialkabinetten, die nicht mehr von der Mehrheit des Reichstags abhängig sind, sondern sich auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten stützen.
31.03.Brüning stellt sein neues Kabinett vor. Es besteht mehrheitlich aus Mitgliedern der Parteien der bürgerlichen Mitte. Die Regierungsbildung erfolgte ohne Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse im Reichstag und ohne Verhandlungen mit den Parteien.
03.04.Im Reichstag wird ein Misstrauensvotum von KPD und SPD gegen die Regierung mit 253 zu 187 Stimmen abgelehnt. Auch die DNVP stützt das Kabinett Brüning. Damit hat sich der gemäßigte Flügel in der DNVP durchgesetzt, der den Landwirtschaftsminister Martin Schiele unterstützt.
14.04.Der Reichstag nimmt die Deckungsvorschläge für den Reichshaushalt 1930 an; die DNVP-Fraktion ist gespalten (31 ja, 23 nein, 6 absent).
17.05.Frankreichs Ministerpräsident André Tardieu ordnet die Räumung des noch besetzten Rheinlands an.
26.05.Reichsinnenminister Joseph Wirth (Zentrum) erhebt vor dem Staatsgerichtshof Anklage gegen das Land Thüringen wegen der Schulpolitik unter dem Minister für Inneres und Volksbildung Frick (NSDAP). Frick hat nationalsozialistische Schulgebete eingeführt.
30.06.Die letzten französischen Truppen verlassen das Rheinland. Der Abzug wird von der deutschen Bevölkerung begeistert gefeiert.
   Der Führer der NSDAP, Adolf Hitler, beauftragt Joseph Goebbels, Reichspropagandaleiter und Gauleiter von Berlin-Brandenburg, mit dem Ausschluss der Mitglieder des sozialrevolutionären Parteiflügels um die Brüder Otto Strasser und Gregor Strasser.
03.07.Otto Strasser gibt seinen Austritt aus der NSDAP bekannt und gründet die Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten. Rund 200 Mitglieder schließen sich der Abspaltung an. Strassers Bruder Gregor ordnet sich zunächst Hitler unter.
05.07.In München erwirbt die NSDAP das ehemalige Barlow-Palais, das zum Sitz der Reichsparteileitung, dem sogenannten Braunen Haus, umgebaut wird. Den Kauf des Hauses ermöglichten Spenden von Großindustriellen wie Fritz Thyssen.
16.07.Der Reichstag lehnt mit 256 (KPD, SPD, DNVP und NSDAP) zu 193 Stimmen die von der Reichsregierung eingebrachte Vorlage zur Deckung des Defizits des Reichshaushalts ab. Die Staatsausgaben sollten gekürzt, die Steuern erhöht werden. Reichspräsident Hindenburg wandelt daraufhin mit dem Art. 48 erstmals einen vom Reichstag abgelehnten Gesetzentwurf in eine Notverordnung um.
17.07.Alfred Hugenbergs (DNVP) unnachgiebige Haltung gegenüber der Reichsregierung unter Brüning führt in der DNVP zum Bruch mit dem gemäßigten Flügel. Hugenberg stört sich darüber hinaus am Einfluss der SPD in der preußischen Koalitionsregierung.
18.07.Der Reichstag stimmt mit 236 (SPD, KPD, NSDAP, 32 DNVP) zu 222 Stimmen (u.a. 25 DNVP) dem SPD-Antrag zur Aufhebung der von Hindenburg erlassenen Notverordnung zu. Daraufhin löst Hindenburg den Reichstag auf und setzt am 26.07. die vom Parlament aufgehobene Verordnung per Notverordnung wieder in Kraft. Die Wahlen zum neuen Reichstag werden für den 14.9. anberaumt.
23.07.Gründung der Konservativen Volkspartei (KVP) aus Volkskonservativen und deutschnationalen Hugenberg-Gegnern.
27.07.Gründung der Deutschen Staatspartei (DStP) aus DDP, Volksnationaler Reichsvereinigung, dem antisemitischen Jungdeutschen Orden sowie einigen jüngeren DVP-Mitgliedern.
18.08.DVP, KVP und WP einigen sich auf einen gemeinsamen Wahlaufruf. Die DStP verweigert sich einem Angebot zur Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Rechtsparteien.
01.09.Die Reichsregierung erhebt eine »Reichshilfe zur finanziellen Sanierung der Arbeitslosenversicherung«: Alle fest angestellten Arbeitnehmer müssen bis Ende März 1931 2,5 % ihres Gehalts abführen. Wegen der sprunghaft gestiegenen Arbeitslosenzahl verfügt die Arbeitslosenversicherung bereits seit Winter 1929 nicht mehr über ausreichende Mittel.
   Das Statistische Reichsamt gibt bekannt, dass die Spareinlagen der Deutschen mit rund 10 Mrd. RM den höchsten Stand seit 1923 erlangt haben. Damit ist der Vorkriegsstand noch lange nicht erreicht.
14.09.Bei den Reichstagswahlen kommt es zu erdrutschartigen, wenn auch nicht völlig unerwarteten Gewinnen der NSDAP; Verlierer sind DNVP, SPD und DVP, während die KPD um 2,5 % zulegt. Durch das Wahlergebnis wird eine Mehrheitsbildung im Reichstag fast unmöglich.
25.09.In einem Hochverratsprozess gegen drei Reichswehroffiziere erklärt der als Zeuge vorgeladene Hitler, die Verfassung schreibe »nur den Boden des Kampfes vor, nicht aber das Ziel«. Die Nationalsozialisten würden »den Staat in die Form gießen«, die sie »als die richtige ansehen«.
26.09.In Berlin werden sechs KPD-Mitglieder für die Ermordung des SA-Sturmführers Horst Wessel zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt.
29.09.Die Regierung verabschiedet ein Sparprogramm, dass die Kürzung der Beamtengehälter um 6 % und eine Erhöhung der Arbeitslosenversicherung von 4,5 auf 6,5 % vorsieht.
05.10.Reichskanzler Brüning (Zentrum) empfängt Hitler, Frick und Hermann Göring. Brüning will die Nationalsozialisten zu einer Mitarbeit in der Regierung bewegen.
   In Koblenz feiern etwa 100.000 Mitglieder des Stahlhelm den »Reichsfrontsoldatentag« und fordern die deutsche Wiederaufrüstung.
13.10.Konstituierende Sitzung des Reichstages.
17.10.Rechtsradikale Demonstranten unterbrechen Thomas Manns »Appell an die Vernunft« im Berliner Beethovensaal. Mann warnte in seiner Rede vor der Ausbreitung des Rechtsradikalismus in Deutschland.
18.10.Der Reichstag verabschiedet das »Gesetz zur Schuldentilgung« mit den Stimmen der SPD und stimmt u.a. mit den Stimmen von SPD und WP gegen die von DNVP und Landvolk dem Antrag der Regierung zu, über alle Misstrauensanträge (von KPD und NSDAP) hinweg zur Tagesordnung überzugehen.
23.11.Nationalitäten-Konflikt in Oberschlesien: Die polnische Regierung verhindert bei den Wahlen zum oberschlesischen Parlament die geheime Abstimmung. Einige deutsche Kandidaten wurden bereits vor der Wahl verhaftet. Polen befürchtet ein Votum der deutschen Wähler für die Angliederung ganz Oberschlesiens an das Deutsche Reich.
01.12.Reichskanzler Brüning erlässt die Notverordnung zur »Sicherung der Wirtschafts- und Finanzlage«, um den Haushalt für 1931 sicherzustellen. Damit umgeht Brüning die parlamentarische Beratung seiner Sanierungspläne.
06.12.Mit den Stimmen der SPD lehnt der Reichstag einen Antrag der KPD zur Aufhebung der Notverordnung vom 1.12. ab. Die SPD befürchtet eine erneute Auflösung des Reichstags und ein weiteres Erstarken der radikalen Parteien.
19.12.Reichskanzler Brüning erklärt im Reichskabinett auf Anfrage von Wehrminister Groener, Nationalsozialisten könnten in der Reichswehr und im Grenzschutz beschäftigt werden.
23.12.In Glogau wird ein wegen »Verleumdung der Republik« angeklagter NSDAP-Kreisleiter freigesprochen. Der Vorsitzende des Gerichts bestätigt dessen Behauptung, die Weimarer Republik sei 1918 auf »Meineid und Hochverrat am Soldaten« gegründet worden.
29.12.Die Tarifgespräche im Ruhrbergbau scheitern. Der Zechenverband des Ruhrbergbaus kündigt daraufhin am 1.1.31 295.000 Bergarbeitern zum 15.1.31.

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