Das Deutsche Reich
Überblick

Deutschland im Überblick Die Reichspräsidenten Reichstagswahlen in Deutschland Die Reichsregierungen Volksbegehren, -entscheide und -abstimmungen in Deutschland Ereignisse 1918–1933

Deutsches Reich

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Waldeck
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Das Deutsche Reich erhält durch die Abdankung des Kaisers und die Ausrufung der Republik eine republikanische Staatsform, verankert in der Verfassung vom 11.8.1919 (»Weimarer Reichsverfassung«).

Durch den Vertrag von Versailles werden Elsass-Lothringen, die Gebiete um Eupen und Malmedy, das Memelgebiet, das Hultschiner Ländchen sowie große Teile der preußischen Provinzen Posen und Westpreußen von Deutschland abgetrennt; außerdem verliert das Reich im Zuge von Volksabstimmungen, die der Versailler Vertrag vorgesehen hatte, Nordschleswig und das östliche Oberschlesien. Das Saargebiet wird für 15 Jahre unter Völkerbundsverwaltung gestellt, bevor eine Volksabstimmung die weitere Zugehörigkeit klärt.

Zu den Einzelheiten des Vertrages: www.versailler-vertrag.de.

 

Regierungssystem

Verfassung (»Weimarer Reichsverfassung« – WRV) vom 11.8.1919 – vgl. www.verfassungen.de

Der Reichspräsident

  • wird vom Volk direkt (Art. 41 Abs. 1) auf sieben Jahre bei zulässiger Wiederwahl (Art. 43 Abs. 1) gewählt;
  • kann durch eine Volksabstimmung abgesetzt werden, die auf Antrag von zwei Dritteln des Reichstags durchzuführen ist (Art. 43 Abs. 2);
  • vertritt das Reich völkerrechtlich (Art. 45 Abs. 1);
  • ist Oberbefehlshaber der Wehrmacht (Art. 47);
  • kann Reichsländer zur Einhaltung von Reichsverfassung und -gesetzen zwingen (Art. 48 Abs. 1);
  • kann zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung Verordnungen erlassen, die auch die Grundrechte außer Kraft setzen können (»Notverordnungsrecht«, Art. 48 Abs. 2);
  • muss alle Anordnungen und Verfügungen vom Reichskanzler bzw. vom zuständigen Reichsministers gegenzeichnen lassen (Art. 50);
  • ernennt und entlässt den Reichskanzler sowie auf dessen Vorschlag die Reichsminister (Art. 53);
  • kann einen Volksentscheid über Reichsgesetze herbeiführen (Art. 73 Abs. 1);
  • kann einen Volksentscheid über zwischen Reichstag und -rat strittige Gesetze herbeiführen (Art. 74 Abs. 3).

Die Reichsregierung

  • besteht aus dem Reichskanzler und den Reichsministern (Art. 52, i.d.R. Vizekanzler sowie 9–11 Reichsminister);
  • ist vom Vertrauen des Reichstages abhängig (Art. 54);
  • wird in den Richtlinien der Politik vom Reichskanzler geführt (»Richtlinienkompetenz«, Art. 56);
  • hat das Recht auf Gesetzesinitiative (Art. 68 Abs. 1), wobei abweichende Voten des Reichsrates darzulegen sind (Art. 69 Abs. 1).

Der Reichstag

  • wird auf vier Jahre gewählt (Art. 23 Abs. 1);
  • kann vom Reichspräsidenten aufgelöst werden (Art. 25 Abs. 1);
  • kann (auf Antrag eines Fünftels der Mitglieder) Untersuchungsausschüsse einrichten (Art. 34 Abs. 1);
  • kann Maßnahmen des Reichspräsidenten gemäß Art. 48 aufheben (Art. 48 Abs. 3);
  • kann jeden Minister durch Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen (Art. 54);
  • kann mit verfassungsändernder Mehrheit Reichspräsident, -kanzler und -minister vor dem Staatsgerichtshof anklagen (Art. 59);
  • beschließt die Reichsgesetze (Art. 68 Abs. 2 – dies beinhaltet nach Art. 45 Abs. 2 auch Kriegs- und Friedensschlüsse);
  • hat eine schwankende Anzahl von Abgeordneten (§§ 30ff. RWG).

Der Reichsrat

  • wird von den Ländern nach ihrer Einwohnerzahl gebildet, wobei kein Land mehr als 40 % der Stimmen führen darf (Art. 61 Abs. 1 – Verteilung s.u.);
  • setzt sich aus Vertretern der Landesregierungen zusammen, wobei die preußischen Vertreter zur Hälfte von den Provinzialverwaltungen bestellt werden (Art. 63 Abs. 1);
  • ist von der Reichsregierung über die laufenden Geschäfte zu unterrichten (Art. 67);
  • kann von der Reichsregierung die Einbringung eines Gesetzes verlangen, wobei die Reichsregierung ihren Standpunkt darlegen kann (Art. 69 Abs. 2);
  • kann gegen beschlossene Gesetze Einspruch einlegen, der durch Zweidrittelmehrheit des Reichstages aufgehoben werden kann (Art. 74 Abs. 1);
  • kann bei Verfassungsänderungen einen Volksentscheid herbeiführen (Art. 76 Abs. 2).

Ein Volksentscheid

  • findet statt bei beschlossenen Gesetzen auf Antrag des Reichspräsidenten, bei beschlossenen Gesetzen, deren Verkündung auf Antrag eines Drittels des Reichstages ausgesetzt wurde (auf Antrag eines Zwanzigstels der Stimmberechtigten), sowie durch Volksbegehren eines Zehntels der Stimmberechtigten (Art. 73);
  • findet statt bei zwischen Reichstag und -rat strittigen Gesetzen auf Antrag des Reichspräsidenten (Art. 74 Abs. 3);
  • findet statt auf Antrag des Reichsrates bei Verfassungsänderungen (Art. 76 Abs. 2);
  • zu Haushalts-, Abgaben- oder Besoldungsfragen findet nur auf Antrag des Reichspräsidenten statt (Art. 73 Abs. 4);
  • bedarf der Mehrheit der Stimmberechtigten, wenn ein Reichstagsbeschluss außer Kraft gesetzt oder die Verfassung geändert werden soll (Art. 75f.).

 

Wahlrecht

Reichswahlgesetz (RWahlG) vom 27.4.1920 – vgl. documentarchiv.de.

Aktives Wahlrecht
Männer und Frauen ab 20 Jahre (Art. 22 WRV) im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, nicht jedoch aktive Soldaten (§ 2).
Passives Wahlrecht
Männer und Frauen ab 25 Jahre mit aktivem Wahlrecht (§ 4).
Wahlsystem ab 1920
eine Stimme je WählerIn (§ 1);
35 Wahlkreise, 17 Wahlkreisverbände mit je ein bis drei Wahlkreisen (§ 7 und Anlage);
System der starren Listen (§§ 14, 33);
Listenverbindungen sind möglich, indem sich mehrere Kreiswahlvorschläge demselben Reichswahlvorschlag anschließen (§ 15);
Sitzverteilung nach der automatischen Methode (wahlrecht.de):
auf je 60.000 Stimmen in einem Wahlkreis ein Sitz (§ 30);
Reststimmen werden zunächst in den Wahlkreisverbänden verrechnet, auf je 60.000 Stimmen entfällt ein Sitz, wenn mindestens ein Rest mehr als 30.000 Stimmen beträgt; dieser wird dem Kreiswahlvorschlag mit dem größten Rest zugerechnet (§ 31);
verbleibende Reststimmen werden über Reichslisten verrechnet, wobei auf je 60.000 Stimmen sowie auf einen Rest von mehr als 30.000 Stimmen weitere Sitze entfallen, jedoch höchstens so viele, wie bereits auf Kreiswahlvorschläge zugeteilt wurden (§ 32).
Wahlsystem 1919 (Reichswahlgesetz vom 30.11.1918)
37 Wahlkreise (wobei in Elsass-Lothringen keine Wahl stattfindet);
für jeden Wahlkreis ist die Anzahl der zu vergebenden Sitze nach der Einwohnerzahl festgelegt;
Verteilung der Sitze auf Wahlkreisebene nach der Methode d'Hondt (vgl. wahlrecht.de);
die Angehörigen der im Osten stehenden Truppenverbände wählen am 2.2.1919 zwei weitere Abgeordnete.

 

Verwaltung

Das Deutsche Reich gliedert sich in 18 (ab 1.5.1929: 17) Einzelstaaten:

Die Länder des Deutschen Reiches 1925

Land (Hauptstadt) Fläche Bevölkerung Bev.-
dichte
RRa
in km2 in v.H. in 1.000 in v.H.
Preußen (Berlin) 291.700 62,22 38.120 61,08 131 26b
Bayern (München) 75.996 16,21 7.380 11,82 97 11
Sachsen (Dresden) 14.986 3,20 4.994 8,00 333 7
Württemberg (Stuttgart) 19.508 4,16 2.580 4,13 132 4
Baden (Karlsruhe) 15.070 3,21 2.312 3,70 153 3
Thüringen (Weimar) 11.763 2,51 1.607 2,57 137 2
Hessen (Darmstadt) 7.692 1,64 1.347 2,16 175 2
Hamburg 415 0,09 1.153 1,85 2.777 2
Mecklenburg-Schwerin (Schwerin) 13.127 2,80 674 1,08 51 1
Oldenburg (Oldenburg) 6.427 1,37 545 0,87 85 1
Braunschweig (Braunschweig) 3.672 0,78 502 0,80 137 1
Anhalt (Dessau) 2.314 0,49 351 0,56 152 1
Bremen 258 0,06 339 0,54 1.315 1
Lippe (Detmold) 1.215 0,26 164 0,26 135 1
Lübeck 298 0,06 128 0,21 430 1
Mecklenburg-Strelitz (Neustrelitz) 2.930 0,63 110 0,18 38 1
Waldeck (Arolsen) [1929 zu Preußen] 1.055 0,23 56 0,09 53 1c
Schaumburg-Lippe (Bückeburg) 340 0,07 48 0,08 141 1
Deutsches Reich (Berlin) 468.787   62.411   133 67d
Saargebiet [Völkerbundsverwaltung] (Saarbrücken) 1.912   770   403  
Danzig, Freie Stadt 1.914   408   213  
Memelgebiet [litauische Verwaltung] (Memel) 2.657   142   53  
 
Reichshaushalt
Haushaltsjahr jeweils vom 1.4.–31.3., Schulden zum Ende des Haushaltsjahres, Angaben in Mio. RM
  19/20 20/21 21/22 22/23 12.23/24 24/25
Ausgaben 11.265,6 11.963,6 9.965,0 14.963,0 2.029,9 6.895,5
Einnahmen 4.223,7 5.336,2 3.580,5 3.172,3 1.935,2 7.786,2
  27/28 28/29 29/30 30/31 31/32 32/33
Ausgaben 6.850,6 8.098,7 7.595,9 7.903,5 6.463,0 5.559,3
Einnahmen 6.809,5 7.023,3 7.283,1 7.783,0 6.280,5 5.416,1
Schulden 9.629,6 11.342,2 11.434,0 11.689,9

 

Statistische Angaben

Fläche:
468.787 km2.
Bevölkerung:
62.410.619 (133 je km2).
Fremdsprachige Bevölkerung:
373.952 (0,6 %); davon Polnisch 57,2 %, Wendisch 16,6 %, Masurisch 13,3 %, Tschechisch u. Mährisch 2,9 %, Dänisch 1,3 %, Russisch 1 %, Englisch 1 %, Niederländisch 0,9 %.
AusländerInnen:
921.900 (1,48 %); davon Polen 28,2 %, Tschechoslowaken 24,1 %, Österreicher 13,9 %, Niederländer 8,9 %, Russen 5,1 %, Schweizer 4,6 %, Italiener 2,6 %, Ungarn 1,7 %, Jugoslawen 1,5 %, US-Amerikaner 0,8 %.
Verstädterung:
unter 2.000: 35,6 %; 2.000–20.000: 24,0 %; 20.000–100.000: 13,7 %; über 100.000: 26,8 %.
Städte (in 1.000 EinwohnerInnen):
Berlin (Reichshauptstadt) 4.024, Hamburg 1.079, Köln 700, München 680, Leipzig 679, Dresden 619, Breslau 557, Essen 470, Frankfurt a.M. 467, Düsseldorf 432, Hannover 422.
Religionszugehörigkeit:
64,2 % Evangelische, 32,4 % Römisch-katholische, 0,1 % andere Christen; 0,9 % Juden; 2,5 % Sonstige.
Erwerbstätigkeit:
32.008.839 (51,3 %); davon 17,3 % Selbstständige, 16,5 % Angestellte und Beamte, 45,1 % ArbeiterInnen, 17,0 % mithelfende Familienangehörige, 4,1 % Hausangestellte.
3.844.430 Berufslose (6,2 %).
Wirtschaftsabteilungen:
23,0 % Landwirtschaft, 41,3 % Industrie und Handwerk, 16,9 % Handel und Verkehr, 5,1 % Verwaltung usw., 1,5 % Gesundheitswesen usw., 3,1 % häusliche Dienste, 9,1 % ohne Beruf.
Arbeitslosigkeit:
gemeldete Arbeitslose in 1.000:
1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933
346 214 727 927 682 2.025 1.312 1.433 1.899 3.076 4.520 5.603 4.733
Beschäftigte in Bergbau und Industrie (1929):
Bergbau:
707.594 Beschäftigte (davon 517.401 im Steinkohlen-, 73.952 im Braunkohlen-, 25.174 im Kali- und Salz- sowie 16.235 im Eisenerzbergbau).
Industrie:
Textilindustrie 1.068.521, Maschinen- und Fahrzeugbau 1.056.731, Nahrungs- und Genussmittel 775.222, Steine und Erden 632.020, elektrotechnische Industrie, Feinmechanik und Optik 463.131, Eisen- und Metallgewinnung 362.976, chemische Industrie 321.183, Papiererzeugung (1925) 127.223, Leder und Linoleum 84.435, Kohlen 58.876 Beschäftigte.


Anmerkungen zu dieser Seite

 


a Stimmenzahl im Reichsrat.

b Von 1926 bis zum 1.4.1929 hat Preußen 27 Stimmen im Reichsrat; 13 der preußischen Reichsratsstimmen werden durch Vertreter der Provinzen wahrgenommen.

c Durch die Vereinigung Waldecks mit Preußen fällt die Stimme am 1.4.1929 weg.

d 1926–29 insgesamt 68 Stimmen, ab 1.4.1929 insgesamt 66 Stimmen.

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